Geographien der Arbeit (Baustein III)
Vor allem im Zuge der Corona-Pandemie sind die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in der deutschen Fleischwirtschaft, insbesondere die von migrantischen Beschäftigten, verstärkt zum Thema des öffentlichen Interesses sowie der gesellschaftlichen Auseinandersetzung geworden. Zudem sind sie Gegenstand neuer politischer Regulierung: Das Arbeitsschutzkontrollgesetz sieht seit 2021 unter anderem eine Neuregelung von Werkverträgen und Leiharbeit der Fleischwirtschaft sowie vermehrte Kontrollen von Arbeitsschutzmaßnahmen vor. Vollzieht sich damit jener grundlegende Umbruch in den Arbeitsbeziehungen der bundesdeutschen Fleischwirtschaft, den manche gefordert und andere gefürchtet haben?
Vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen untersuchen die Teilprojekte dieses Bausteins die Organisation von Arbeit in der deutschen Fleischwirtschaft: Es geht einerseits um unternehmerische Strategien zur Implementierung der gesetzlichen Neuregelungen und den Umgang mit ihnen, andererseits um die Frage nach der Veränderung von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen, die sich bisher durch teils erhöhte soziale Unsicherheit auszeichnen. Der Zusammenhang der Produktionsbeziehungen mit Migration, Geschlechter- und Familienverhältnissen sowie dem Rechtsstatus von abhängig Erwerbstätigen werden bei den Analysen besonders berücksichtigt.
Geographien von Arbeitsbeziehungen in der Fleischwirtschaft (Teilprojekt 3)
Verantwortlicher: John Lütten, M.A.
Das Teilprojekt untersucht die Arbeits- und Produktionsbeziehungen in der deutschen Fleischwirtschaft, wobei auf die Situation von migrantischen Beschäftigten etwa aus Polen, Rumänien oder Bulgarien besonderes Augenmerk gelegt wird. Deren Arbeits- und Lebensverhältnisse zeichnen sich bislang oftmals durch erhöhte Unsicherheit aus und sind zuletzt stärker zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen geworden – breiter und systematischer untersucht sind sie bislang aber kaum. Wie genau hängen also Produktionsstrukturen, Migration und deren staatliche Regulierung in der Fleischwirtschaft zusammen, und inwiefern bestimmen sie die Gliederung der Beschäftigten etwa entlang von Herkunft, Geschlecht, familiärem Status oder Qualifikation?
Das Projekt schließt an entsprechende Erkenntnisse der Arbeitssoziologie, der Arbeitsgeographie sowie der Migrationsforschung an. Ausgehend von den je konkreten Produktionsbeziehungen und ihrer Organisation soll das Verhältnis von Unternehmensstrategien, Migrationsregime und staatlicher Regelung auf einem länderübergreifenden Arbeitsmarkt analysiert werden. Im Fokus stehen dann verschiedene Dimensionen potentiell unsicherer Arbeits- und Lebensverhältnisse, die Formen ihrer subjektiven Verarbeitung sowie etwaige Konflikte um sie.
Unternehmensstrategien und das Arbeitsschutzkontrollgesetz (Teilprojekt 4)
Verantwortliche: Marwaa Zazai, M.Sc., M.Ed.
In der Corona-Pandemie haben die Infektionsausbrüche in deutschen Fleischbetrieben für großes Aufsehen gesorgt. Wie unter einem Brennglas sind die Konflikte um Arbeitsformen, Bedingungen der Arbeit und Fragen des Arbeitsschutzes offenbart worden. Das im Jahr 2021 in Kraft getretene Arbeitsschutzkontrollgesetz (ASKG) enthält ein Maßnahmenbündel, in dessen Mittelpunkt die Neuregelung von Leiharbeit und Werkverträgen steht. In welcher Form das Gesetz von den Unternehmen umgesetzt wird und welche Auswirkungen sich daraus zum Beispiel in Bezug auf Arbeitsverhältnisse- und Bedingungen sowie Arbeitsorganisation ergeben, bedarf jedoch weiterer Untersuchungen.
Das Teilprojekt erforscht ausgehend davon die unternehmensseitigen Strategien in unterschiedlichen betrieblichen Konstellationen zum Umgang mit arbeitsbezogenen gesetzlichen Regularien. Das unternehmerische Handeln wird dabei als Reaktion auf die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen verstanden. Für die Untersuchung ist unter anderem von Bedeutung, Akteure unterschiedlicher Hierarchieebenen der Unternehmen (etwa die Leitungsebenen oder das Management) und deren Entscheidungen sowie Entscheidungsprozesse zur Implementierung und Umsetzung des ASKG zu betrachten. Ebenso sollen Unterschiede zwischen den Entscheidungen der jeweiligen Instanzen und deren Auswirkungen einbezogen werden. Insgesamt können so die relevanten Positionen und Strategien ausgemacht werden, die maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung der Arbeits- und Produktionsbeziehungen sowie die Arbeitsbedingungen nehmen. Auch (neue) Fragmentierungsprozesse in der Arbeitsorganisation sowie der Belegschaften können damit besser verstanden werden.