Politik & Kultur (Baustein IV)
In diesem Baustein wird analysiert, welche Strategien die Unternehmen und Interessenverbände der deutschen Fleischwirtschaft gegenüber der Zivilgesellschaft und dem Staat verfolgen. Mit Blick auf die Zivilgesellschaft steht die Produktion und Reproduktion einer Kultur im Forschungsfokus, die mit der Herstellung, dem Verkauf und Konsum von Fleischwaren aller Art korrespondiert. Diese „Fleischkultur“ und die ihr vorgelagerte Erzeugung von Fleisch werden aktuell in steigendem Maße zivilgesellschaftlich herausgefordert. Zum Beispiel werden die Tierhaltung, die Klimaverträglichkeit und die Arbeitsverhältnisse in der Fleischproduktion in der Öffentlichkeit zunehmend infrage gestellt und der Fleischverzehr immer mehr als gesundheitsschädlich, unökologisch und tierethisch ungerechtfertigt kritisiert. Firmen und Branchenorganisationen reagieren darauf ihrerseits mit Informations- und Öffentlichkeitsarbeit sowie mit Nachhaltigkeitsstrategien für ihr Gewerbe.
In Bezug auf den Staat wird untersucht, wie sich die Geschäftsführungen der Fleischbetriebe und ihre Interessenvertreter in öffentliche Meinungsbildungsverfahren und parlamentarische Gesetzgebungsprozesse einbringen, welches Vorgehen sie gegenüber Parteien und der öffentlichen Verwaltung wählen und wie sie mit staatlichen Institutionen (Ministerien, Ämtern usw.) in verschiedenen Bereichen kooperieren. Dabei geht es vor allem um die politische Förderung und wirtschaftliche Finanzierung der Produktion und des Vertriebs von Fleischprodukten sowie um die öffentliche Kommunikation zur Ernährung. Insgesamt soll eruiert werden, welche Rolle die Fleischindustrie in Deutschland kulturell und politisch dabei spielt, einen nachhaltigen und sozial gerechten Entwicklungspfad einzuschlagen.
Produktion und Reproduktion einer umkämpften Fleischhegemonie (Teilprojekt 5)
Verantwortlicher: Dr. Christian Stache
In diesem Teilprojekt wird untersucht, welche politischen, diskursiven und kulturellen Strategien die Unternehmen der deutschen Fleischindustrie gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteuren, unter anderem Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, sozialen Bewegungen, und gegenüber der Öffentlichkeit verfolgen. Es geht zum einen darum zu ergründen, wie Firmen, Interessenverbände und Branchenmedien Kulturformen, Subjektivitäten, Denk- und Lebensweisen in der Gesellschaft organisieren, vermitteln und gestalten, die mit dem Verkauf und Konsum von Fleischwaren harmonieren („Fleischhegemonie“). Zum anderen soll ermittelt werden, wie die Unternehmen der Wertschöpfungskette Fleisch und die Branchenzusammenschlüsse mittels Kommunikation und Marketing respektive politischer und Öffentlichkeitsarbeit ihre Interessen gegenüber der Gesellschaft artikulieren und auf politisch-kulturelle Herausforderungen für die Fleischwirtschaft aus der Zivilgesellschaft reagieren. Produktinnovationen, neue Technologien und Märkte für pflanzenbasierte Waren, die Ausbreitung vegan-vegetarischer Lebensweisen, sozialökologische Probleme in der Fleischproduktion und -verteilung sowie Proteste von Arbeiterorganisationen, Belegschaften und neuen sozialen Bewegungen, zum Beispiel der Ökologie- oder Tierrechtsbewegung, könnten die Fleischhegemonie unterminieren. Sie bieten aber auch die Möglichkeit ihrer Modernisierung.
Das Verhältnis der Unternehmen der deutschen Fleischindustrie zum Staat (Teilprojekt 6)
Verantwortliche: Klara Kolhoff, M.Sc.
Das Teilprojekt untersucht die Strategien von Unternehmen und Verbänden der deutschen Fleischindustrie gegenüber politischen und staatlichen Akteuren sowie die Beteiligung der Unternehmen und Verbände an Verfahren staatlicher Regulierung. Von Interesse sind hierbei unter anderem Prozesse der Förderung, Finanzierung und Kommunikation. Besonderes Augenmerk gilt der gesetzlichen Regulierung der (grenzüberschreitenden) Fleischproduktion, des Fleischverkaufs und der Arbeitsmärkte in Deutschland. Vor allem wird der Frage nachgegangen, wie wirtschaftliche Akteure an staatlicher Beschlussfassung konkret teilhaben. Ferner wird analysiert, welche Informationen der Bevölkerung über politische Prozesse zugänglich gemacht werden. In Hinblick auf das Gesamtprojekt wird dabei auch erforscht, welche Rolle Fragen der Nachhaltigkeit bei Entscheidungen zu staatlicher Regulierung von Produktionsweisen und bei offiziellen Informationen zu Konsumweisen spielen.