"Postkoloniales Brasilien“
Tobias Schmitt, Jan Hutta
Anhand von ausgewählten spezifischen Problemen und Regionen werden aktuelle gesellschaftliche Prozesse in Brasilien theoretisch-konzeptionell gefasst und mit den Beobachtungen vor Ort und den Berichten der lokalen Expert_innen abgeglichen. Wichtig ist dabei sowohl die selbstständige Erarbeitung und Analyse bestimmter Themengebiete, als auch der Austausch mit Wissenschaftler_innen, Studierenden, Vertreter_innen der Zivilgesellschaft etc. vor Ort. Ziel der Lehrveranstaltung ist somit nicht nur das Erlangen von Wissen über eine spezifische Region, sondern auch die Einbettung dieses Wissens in einen nichteuropäischen Kontext, die Fähigkeit, gelerntes „Lehrbuchwissen“ mit empirischen Erfahrungswissen abzugleichen und über konkrete Beobachtungen und Interaktionen zu erweitern. Dabei soll ein Prozess der Selbstreflexion der Wissensproduktion angestoßen werden.
Die Exkursion gliedert sich in drei thematische Schwerpunkte, wobei wir ländliche und städtische Räume unterschiedlicher Regionen untersuchen und sie in einen sozialen, politischen und postkolonialen Kontext stellen.
In Rio de Janeiro werden die Umstrukturierungsprozesse einer globalen Stadt im Zusammenhang mit Fragen sozialer Ungleichheit, deren historischer Entstehung sowie politischer Handlungsansätze erörtert. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Veränderungen in den sogenannten Armenvierteln (Favelas), auf die Revitalisierung des Hafens (Porto Maravilha), sowie auf spezifische Marginalisierungsprozesse bezüglich Sexarbeiter_innen und Menschen, die auf der Straße leben, gelegt. Diese Veränderungen werden auch in den Kontext der Megaevents (FIFA-Weltmeisterschaft 2014 und Olympischen Spiele 2016) gestellt.
In Minas Gerais werden Umweltkonflikte vor dem Hintergrund des dominanten Entwicklungsmodells Brasiliens, des sogenannten Neo-Extraktivismus, untersucht. Im Vordergrund stehen hier insbesondere die ökologischen und sozialen Auswirkungen dieses Modells.
Im Bundesstaat Ceará, im semi-ariden Nordosten Brasiliens, werden schließlich spezifische Mensch-Umwelt-Beziehungen mit Bezug auf die Dürreproblematik in den Blick genommen. Dabei richtet sich das Augenmerk auch auf Widerstände und Alternativen zum dominanten Entwicklungsmodell.