Pseudomonas syringae Bakterien kommen an Gehölzen in mehr als 50 genetisch differenzierten Pathovarietäten vor und seit der Jahrhundertwende wurden weltweit in 26 Ländern 55 Krankheitsausbrüche an Holzgewächsen dokumentiert, davon knapp die Hälfte in Europa. In Deutschland wurde der wirtsspezifische Pathovar aesculi erstmalig im Jahr 2007 an einer Rosskastanie im Bezirk Altona nachgewiesen.
Die Rosskastanie spielt in Hamburgs Stadtbild und in der Wahrnehmung der Menschen eine herausgehobene Rolle, was sich z.B. in besorgten Anfragen aus der Bevölkerung an die Fachbehörde und einem stetigem Medieninteresse äußert. Seit den 1990er Jahren hat die in der urbanen Landschaft geschätzte Baumart ästhetisch und baumbiologisch mit unterschiedlichen Krankheiten und Schädlingen zu kämpfen. Die Komplexkrankheit ist das jüngste Krankheitsbild der Rosskastanie. Von einer Komplexerkrankung wird gesprochen, wenn sich in der Folge eines primären Schadereignisses weitere Schadorganismen ansiedeln und sich gravierend auf die Vitalität von Gehölzen auswirken. In diesem Fall folgt der Infektion mit dem Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi (Pae) der Befall mit holzzersetzenden Pilzen.
Um die Gesamtstätische Entwicklung zu beobachten werden erkrankte Rosskastanien, neben der bezirklichen Baumkontrolle, makroskopisch untersucht und in einer gesonderten Geodatenbank dokumentiert und überwacht. Jährlich werden die Datenbestände der sieben Bezirke zusammengeführt und der Datenbestand wird nach einem einheitlich eingeführten Dokumentationsverfahren im digitalen Baumkataster gefiltert. Beruhend auf dieser Datengrundlage werden die räumlichen Analysen durchgeführt. Im Rahmen der dritten Reihenuntersuchung wurden 2018 aus diesem Kollektiv 94 Rosskastanien beprobt und molekularbiologisch untersucht. Neben der eindeutigen Bestimmung der Pathogene P. syrinage pv. aesculi und Phytopthora spp. – mittels PCR – war ebenso die Verifizierung der visuellen Einschätzung zum Phytopathogenverdacht und damit einhergehend die Qualitätssicherung der räumlichen Analysen Gegenstand der Untersuchung.
Von den rund 1400 Bäumen, die P. syringae pv. aesculi zugeordnet sind, wurden bisher in etwa die Hälfte der erkrankten Rosskastanien gefällt, weil die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. Besonders die rotblühende Art (Aesculus carnea) ist in Hamburg betroffen. Seit 2013 wurde der rotblühende Rosskastanienbestand bereits signifikant dezimiert und es mussten rund 450 Bäume dieser Art gefällt werden. Das ist fast ein Drittel des rotblühenden Gesamtbestands. Bei der Weißblühenden Rosskastanie sind seit Beginn des Monitorings zwar deutlich mehr Verdachtsbäume hinzugekommen, aber es mussten deutlich weniger Bäume gefällt werden. Allerdings hat sich die Gesamtzahl der Fällungen bei Weißblühende Rosskastanie seit 2019 verdoppelt – was ein erheblicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren ist. Ob die trockene Witterung der vergangenen Jahre und der damit verbundene Trockenstress oder eine verzögerte Schadensdynamik der Grund für dieses erhöhte Aufkommen ist, muss weiter untersucht werden.